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Abgespannt vom Universum: Interview mit Raphael Bousso

Der heilige Gral für viele der heutigen theoretischen Physiker ist eine komplette quantenmechanische Theorie der Schwerkraft -- nützlich für das Verstehen des Verhaltens der schwarzen Löcher, des Urknalls und des gesamten Universums. Aber die Überbrückung der Lücke zwischen den kleinsten und größten Bestandteilen der Realität erfordert vermutlich einige total neue Konzepte (und die Erschütterung unseres Glaubens an einige alte). Ein Forscher, der nach diesen fehlenden Stücken sucht, ist Raphael Bousso von der Harvard Universität. Der 31-Jährige teilte sich den ersten Preis in einer weltweiten Konkurrenz für junge Physiker letztes Jahr für seine Arbeit über das sogenannte holographische Prinzip, die darauf abzielt, die Quantenmechanik mit der Physik der schwarzen Löcher zu versöhnen. Seine Forschung hat ihn dazu geführt, auch über String-Theorie und Kosmologie scharf nachzudenken.

Scientific American [SA]: Die String-Theorie erklärt uns, dass die Elementarbausteine diese kleinen Bändchen oder Fädchen sind, die alle miteinander verknotet sind. Was hat die String-Theorie dafür getan, dass wir irgend etwas davon glauben sollten?

Raphael Bousso [RB]: Die String-Theorie bietet einen Rahmen, in dem alle Kräfte natürlich sind, vollständig vereinheitlicht, einschließlich der Schwerkraft. Wir besitzen wirklich nichts anderes, das die gleiche Art von Vereinheitlichung bietet. Wenn Sie fragen, was die String-Theorie z.B. dazu beigetragen hat, sie beschreibt prinzipiell, wie die Elementarbausteine, die die Schwerkraft aufbauen, aufeinander einwirken. Und sie hat in bestimmten, ganz speziellen Fällen die Entropie der schwarzen Löcher erklärt, die ein großes Problem in der Quanten-Schwerkraft ist.

SA: In den letzten Jahren haben die String-Theoretiker mit dem Nachdenken über Kosmologie, insbesondere über diese dunkle Energie begonnen, die scheinbar die Galaxien mit der Zeit immer weiter auseinander treibt. Was ist daran so faszinierend?

RB: Wir wissen nicht wirklich, was das für ein Stoff ist. Es gibt eine Menge unterschiedlicher Möglichkeiten für Arten von Materie, die sich auf die Weise verhält, dass diese dunkle Energie scheinbar auf unser Universum einwirkt. Vom Standpunkt eines Theoretikers sind das sehr unterschiedliche Dinge. Ein Beispiel dafür ist, ob diese dunkle Energie wirklich das ist, was wir eine kosmologische Konstante nennen, was dann bedeuten würde, dass ihre Dichte feststeht und sich nie ändern wird. Oder wenn es etwas ist, das für eine Weile wie eine kosmologische Konstante wirkt, indem es die Ausdehnung des Universums beschleunigt, aber sich schließlich verdünnt. Das ist etwas, das wir zur Zeit nicht sehr gut mit experimentellem Nachweis unterscheiden können, aber es hat einen enormen Effekt auf die großräumige Struktur des Universums und darauf, wie die Welt in der fernen Zukunft aussehen wird. Es wäre sehr schön zu verstehen, welche Arten von dunkler Energie aus einer theoretischen Perspektive zu bevorzugen wären. Die größte Frage, warum gibt es sie überhaupt? Und wir haben wirklich schwer damit zu kämpfen, sie zu verstehen, weil sie so unglaublich klein ist, dennoch nicht null. Das bringt eine sehr große Herausforderung für eine Theorie, die das erklären soll.

SA: Bisher haben die String-Theoretiker nicht viel Glück mit der dunklen Energie gehabt, stimmt's?

RB: Es gibt da eine Spannung. Was die meisten Leute akzeptieren würden, ist der Umstand, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass eine Erklärung für den Ursprung der kosmologischen Konstante von einer Quantentheorie der Schwerkraft kommt. Das müsste nicht unbedingt die String-Theorie sein. Aber die String-Theorie ist der beste, der genaueste und der leistungsfähigste Bewerber, den wir haben. Nun kommt die Spannung von der Tatsache, dass es sehr schwierig gewesen ist, in der die String-Theorie kosmologische Lösungen zu finden, insbesondere Lösungen mit positiver dunkler Energie. [In der allgemeinen Relativität könnte die kosmologische Konstante positiv und abstoßend oder negativ und anziehend sein.] Während die String-Theorie unser bester Anwärter für die Quanten-Schwerkraft ist, sind wir ein wenig enttäuscht von der Tatsache, dass wir es bis jetzt nicht hin bekommen haben, Universen mit dunkler Energie in der String-Theorie zu modellieren.

SA: Was macht das Problem schwierig?

RB: Es gibt ein Problem in Universen mit einer positiven kosmologischen Konstante. Jetzt tritt dieses Problem nicht für alle Arten dunkle Energie auf, aber für eine bestimmte Kategorie Universum, die dunkle Energie aufweist, kann man nicht den [End-]Zustand [des Partikelzusammenspiels] messen, weil sich die Partikel zufällig trennen. Es gibt keinen, der sie alle sehen könnte. In diesem Sinne kann man nicht das Resultat irgendwelcher Zerstreuung [der Partikel] messen. Experimente in der Hochenergiephysik werden am besten durch die Formeln beschrieben, die S-Matrix genannt werden und die Wahrscheinlichkeit bieten, für alle unterschiedlichen Dinge, die man eingibt, alle unterschiedlichen Dinge wieder herauszubekommen. Dieses Formelsystem stammt aus den Tagen, als wir dachten, dass alles in der Welt der Physik aus Partikelbeschleunigung besteht, wo der spielende "Gott" [im Sinne eines Beobachters am Rande der Raumzeit] auf der Außenseite sitzt und einige Partikel -- sagen wir ein Elektron und ein Positron oder so etwas -- nach innen schickt, wo er sie mit großer Kraft zusammenstoßen lässt und betrachtet, was dabei herauskommt.

Dieses Ding, das die Beziehung beschreibt zwischen dem, was man von weit weg nach innen schießt und dem, was aus dieser Region des Zusammentreffens heraus wieder zurückkommt, wenn die Partikel wieder deutlich getrennt und im Detektor aufgespürt sind, dieses Ding ist die S-Matrix. Weil wir Physik in einem sehr kleinen Maßstab betreiben, war diese Sprache eine nützliche Sprache zur Beschreibung der Welt. Die String-Theorie, die historisch in der Partikelphysik verwurzelt ist, sagt gerne eine S-Matrix voraus, sonst nicht viel mehr. Aber offenbar kann diese Sprache nicht die richtige sein zur Beschreibung eines Experiments in Kosmologie, wo wir gar keine Kontrolle haben über das, was "Gott" nach innen geschickt hat. Wir schauen einfach durch unser Teleskop und erblicken einen Stoff, der uns trifft. So besteht der Unterschied zwischen der Kosmologie und der S-Matrix darin, dass man in der S-Matrix von außerhalb nach innen, während man in der Kosmologie von innen nach draußen schaut.

SA: Ist das ein Problem nur für Universen mit dunkler Energie?

RB: Sie könnten bereits sehr mißtrauisch geworden sein, dunkle Energie oder nicht, hinsichtlich der Idee, dass eine S-Matrix Experimente in Kosmologie beschreiben könnte. Was Leute kürzlich aufgeregt hat, ist die Aussage, dass man eine S-Matrix in vielen kosmologischen Raumzeiten nicht einmal definieren könnte, schon gar nicht in solchen, wo dunkle Energie vorhanden ist. Der Grund dafür ist, dass man zum Definieren einer S-Matrix in der Lage sein muss, betrachten zu können, was bei einem Experiment mit beliebig großen Entfernungsskalen herauskommt. Man muss die Partikel weit reisen lassen, weit weg von einander, damit sie aufhören, aufeinander einzuwirken und man wirklich behaupten kann, das ist dabei heraus gekommen und nicht noch etwas anderes. Wenn das Universum zu schnell beschleunigt, ist es für einen einzelnen Beobachter nicht möglich, alle Partikel zu sehen, die herauskommen. Einige von ihnen verschwinden hinter dem, was man einen Ereignishorizont nennt. Ich kann sie nicht betrachten und mir die Informationen beschaffen, die Raumzeit zwischen mir und den Partikeln beschleunigt zu schnell. Das schafft eine Herausforderung in der Richtung, dass wir einfach nicht wissen, was die S-Matrix als das korrekte "Beobachtbare" ersetzt. Wir wissen nicht, was die rechte Frage ist, für die wir mittels unserer Theorie in solch einer Kosmologie Antworten suchen. Wenn sie so ausfällt, dass wir dunkle Energie mittels String-Theorie in irgendeinem Modell beschreiben können, dann würden wir erwarten, dass die String-Theorie uns erklären wird, was ist das Beobachtbare, was sind die Fragen, die wir in diesem Modell stellen können?

SA: Könnte die String-Theorie jemals dieser Herausforderung gewachsen sein?

RB: Was wir im Auge behalten sollten, ist die Frage, ob die String-Theorie zur Zeit genug zum Verstehen von Kosmologie und von dunkler Energie entwickelt ist oder nicht, oder ob es einige wichtige Teilbereiche gibt, die wir noch vermissen. Wenn Sie die Vorgeschichte betrachten von dem, was wir heute die String-Theorie nennen, hat diese eine in beträchtlichem Ausmaß reichere Struktur als das, was die String-Theorie vor 10 Jahren war [als Physiker sie nicht dazu verwenden konnten, die Entropie eines schwarzen Lochs zu errechnen]. Scheinbar existiert eine reale Möglichkeit, dass man versucht, die String-Theorie, wie wir sie heute kennen, dafür zu verwenden, das Problem der kosmologischen Konstante zu erklären, wie man vor 10 Jahren mit der damaligen String-Theorie versucht hat, die Entropie des schwarzen Lochs zu erklären. Möglicherweise sind wir noch nicht so weit, möglicherweise müssen wir noch etwas konzeptionellen Fortschritt in der Theorie erreichen, bevor wir das tun können. So liegt es in meinem eigenen Interesse zu versuchen, einige Hinweise zu erhalten, welche Art von Dingen uns noch fehlen, in deren Richtung wir noch forschen müssen.

SA: Welche Art von Hinweisen haben Sie und andere gesehen?

RB: Die Hinweise, die wir erhalten, sind der Art von Hinweisen ähnlich, die wir von der semi-klassischen [nicht völlig quanten-mechanischen] Physik über schwarze Löcher erhalten haben. Semi-klassische Analysen zeigten uns, dass schwarze Löcher eine Entropie haben, obwohl sie uns nicht erklären konnten, woher diese Entropie mikroskopisch kommt. [Die Entropie eines Glases Wassers kommt von den vielen möglichen gleichwertigen Anordnungen der enthaltenen Moleküle.]

Im Fall des Universums mit einer positiven kosmologischen Konstante, zeigt uns die semi-klassische Physik und insbesondere eine holographisches Prinzip genannte Idee [die festhält, dass die maximale Entropie einer Region von Raumzeit zu ihrem Bereich, im Gegensatz zu ihrem Volumen proportional ist], dass solche Universen eine begrenzte Entropie haben. Mit anderen Worten, man kann nicht einfach ein schwarzes Loch, das das dichteste Objekt ist mit der größten Entropie, das man sich vorstellen kann, über einer bestimmten Größe hinaus in ein Universum mit positiver kosmologischer Konstante hinein setzen. Kein Experiment, das man in solch einem Universum durchführt, wird jemals mehr Entropie entwickeln als etwa die umgekehrte [vom Wert her] kosmologische Konstante. Während die dunkle Energie gegen null geht, verschwindet diese Aussage.

Was wir finden, ist dieses Muster, in dem das Vorhandensein der dunklen Energie  -- es muss eine bestimmte kosmologische Konstante sein, um dieser Aussage wirklich machen zu können -- Theorien von einer begrenzten Entropie zu entsprechen scheint. Diese [begrenzte Entropie-Theorien] sind Dinge, die noch nicht wirklich zum Vorschein gekommen sind in der String-Theorie oder, für diesen Zweck, irgendwo anders. Und das ist die Art von Aussage, die ein sehr nützlicher Hinweis dafür sein könnte, in welcher Richtung wir schauen sollten.

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